25. Februar 2014

Meine On/Off-Beziehung zu Evernote

Evernote Icon

Als ich mir Evernote das erste Mal etwas näher angesehen habe, war es noch unglaublich hässlich und überladen. Die App hatte mehr wert auf die Funktionalität gesetzt und das Design hinten an geschoben. Nichtsdestotrotz habe ich das Potential erkannt und diverse Einsatzzwecke für dieses mächtige Tool gefunden.

Erste Begeisterung dank Bookmarks und papierlosem Büro

Angefangen hat es mit der Speicherung von Notizen aller Art, u.a. auch meinen Ideen für Blogartikel. Recht schnell hat Evernote zudem die klassische Bookmark-Leiste in meinem Browser abgelöst. Alles, was ich langfristig aufbewahren wollte, ging über die Browser-Extension direkt an Evernote. Die Durchsuchbarkeit von Titel und Inhalt sowie eine Offlinekopie der Webseite waren massive Vorteile gegenüber klassischen Browser-Bookmarks.

Außerdem habe ich mit Evernote meinen Einstieg ins papierlose Büro gefunden. Dank der knapp 1,5 Jahren Premium, die ich in einem Bundle günstig erstanden hatte, konnte ich alle Vorteile von Evernote nutzen. Dazu gehörte auch die Schrifterkennung in PDFs sowie die Erhöhung des Upload-Limits auf 1 GB. Das vorhandene Tagging-System und die flexible-Suche gepaart mit dem einfachen Drag&Drop von gescannten Dokumenten machten die Verwaltung des digitalen Papierchaos so einfach wie nie zuvor.

Angst vor proprietären Speichersystemen

Schon ziemlich lang bin ich Fan des Mac Power Users Podcast. Zwischen den Hosts Katie Floyd und David Sparks entfacht regelmäßige eine Diskussion um Evernote. Während Katie Fan von Evernote ist, hat David ein Problem damit, dass es vergleichsweise schwer ist, Daten aus Evernote heraus zu bekommen.

Evernote speichert Daten in einem geschlossenen, auf den eigenen Anwendungsfall optimierten Format. Das hat allerdings zum Nachteil, dass Dateien z.B. nur über Umwege und selten komplett mit Spotlight bzw. Alfred durchsuchbar sind. Während das traditionelle Datei-und-Ordner-System mit PDFs weitreichend adaptiert, einfach zu portieren und deshalb zukunftssicher ist, baut Evernote ein eigenes Speicherformat.

Ich stelle nicht in Frage, dass es die für sie beste Lösung ist, um die Apps möglichst effizient arbeiten zu lassen. Allerdings weiß keiner, was mal aus Evernote wird. Ich gehe nicht davon aus, dass das Untenehmen demnächst untergeht. Allerdings könnte ein Aufkauf durch Facebook[1] – oder irgendein anderer Grund – dafür sorgen, dass ich Evernote nicht länger benutzen möchte. Spätestens dann wünsche ich mir eine Möglichkeit all meine über die Jahre gespeicherten PDFs möglichst schnell exportieren zu können.

Doch dafür ist Evernote nicht gemacht. Welche Bestrebung hat ein Dienst dieser Art, den Export von Daten möglichst einfach zu gestalten?[2] Evernote möchte Kunden im eigenen System halten. Ein vereinfachter Export würde die Austrittsbarriere nur verringern, was nicht im Sinne von Evernote ist.

Konvertierung zu Plain Text

Dieser Umstand ließ mich zweifeln. Wenn ich jetzt anfange eine riesige Menge an Daten in Evernote zu pumpen, nur um in ferner Zukunft festzustellen, dass ich Evernote nicht mehr nutzen möchte, und Probleme beim Export meiner Daten habe, wäre es clever, diese Menge an Daten gar nicht erst anzuhäufen.

So kam es, dass ich mich von Evernote als Manager meiner Blog-Notizen und meines papierlosen Büros verabschiedet habe. Meine Blognotizen habe ich mithilfe von AppleScript relativ leicht zu Textdateien konvertiert. Ein aus heutiger Sicht sehr cleverer Schritt, da mir ohne über Dropbox synchronisierte Plain-Text-Notizen ein ganzer Schwarm an Markdown-Editoren und Programmen wie nvALT verwehrt geblieben wären.

Mein digitales Papier wollte ich klassischer verwalten: PDFs in einer Ordner-Hierarchie. Kein Programm zum Dokument-Management oder so. Ein System aus ScanSnap und Hazel hatte ich mir ausgemalt, bis heute jedoch nie Zeit gefunden eines zu etablieren. Der Scanner steht noch unbenutzt auf dem Schreibtisch, das Hazel-Tutorial liegt ungesehen im Filme-Ordner.

Zweifel am nicht existenten Paperless-Workflow

Ein halbes Jahr ging ins Land, in dem ich ohne die digitale Verwaltung meiner Papierflut auskommen musste. In Evernote wollte ich meine digitalisierten Dokumente nicht mehr speichern, doch für das Setup von ScanSnap und Hazel fehlte mir die Zeit. Irgendwas ist immer.

Anschließend kam eine dieser Phasen, in dem ich das Gefühl hätte, dass mir jemand etwas sagen wollte. Ich hatte mit Charles von CocasBlog erneut über seinen Evernote-Workflow gesprochen und zweifelte an meiner Entscheidung dieses mächtige Programm aufgegeben zu haben. Im gleichen Zeitraum lobte Productivity-Guru Merlin Mann Evernote in höchsten Tönen. Kurze Zeit später sprach Bradley Chambers zum Thema Erfassen und Verwalten von Informationen über Evernote. Alle redeten von Evernote und welches Maß an Arbeit ihnen dieses Programm abnehmen würde.

Letztenendes beschloss ich doch wieder zu Evernote zu wechseln. Was bringt mir ein zukunftssicheres Speicherformat, wenn ich keine Zeit finde das zugehörige System zu etablieren? Wie viel Zeit will ich in ein eigenes papierloses System stecken, wenn mich das Nichtvorhandensein irgendeines Systems ein halbes Jahr lang nicht gestört hat?

Wieder auf Evernote zu setzen schien logisch. Aber was dann kam, dürfte uns alle nachträglich ein wenig verändert habe.

US-Server werden zum No-Go

Meine Entscheidung zurück zu Evernote zu gehen traf ich ungefähr im Juni 2013. Einen Monat später kamen die Leaks von Edward Snowden in der Masse an.

Evernote ist eine US-amerikanische Firma. Fortan überlegte auch ich stets einmal mehr, welche Daten ich dort ansässigen Firmen überlassen möchte und welche nicht. Meine Dokumente sollten nicht dazu gehören, weswegen Evernote als Speicher für mein digitalisiertes Papier nicht länger in Frage kam.

Es ist schon etwas seltsam. Zuerst höre ich fast zur gleichen Zeit aus mehreren Ecken, wie toll doch Evernote ist, beschließe dem Programm noch eine Chance zu geben, bis der ausschlaggebende Faktor am Ende politischer Natur ist.

Mir war danach, diese Entwicklung mit dir zu teilen. Vielleicht hat dich meine Geschichte ein wenig unterhalten, vielleicht zum Nachdenken gebracht. Gern können wir darüber diskutieren. Was hältst du von Evernote und wofür benutzt du es?


  1. ba-dum-tss  ↩

  2. Meiner Meinung nach umfasst Orientierung an Nutzerbedürfnissen auch die Art der Verabschiedung eines Kunden, falls dieser sich gegen das Produkt entscheidet. Ein zufriedener Kunde bei der Konkurrenz schadet weniger als ein Kunde, den man zwar halten konnte, der aber mit dem eigenen Produkt unzufrieden ist. Diese Ansicht scheint aber nicht allzu sehr verbreitet zu sein.  ↩

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